Union-Brauerei: Bremer Bierbrau-Tradition

November 06, 2023Nour Maarouf

Die Waschbecken auf den Toiletten bestehen aus halbierten Bierfässern. Kann man sich in einer Braugaststätte stilvoller die Hände waschen? Es sind solche Details, die zeigen, dass im historischen Gebäude der Union Brauerei die aufwändige Renovierung bis ins Kleinste durchdacht ist. Der Gesellschafter Markus Zeller (ehemals Geschäftsführer von Beck’s) und der Geschäftsführer, Immobilienentwickler und Architekt Lüder Kastens, haben richtig viel Geld in die Hand genommen, um der Brauerei neues Leben einzuhauchen. Ein Blick zurück: Anfang des letzten Jahrhunderts schlossen sich mehrere Brauer zusammen und errichteten im Bremer Stadtteil Walle eine gemeinsame Brauerei, die 1907 fertig wurde. Die Haake-Beck AG übernahm 1965 den Betrieb, machte ihn aber drei Jahre später dicht. Seitdem dümpelte das Gebäude vor sich hin, mal waren kleine Firmen darin untergebracht, mal eine Spedition, zeitweise stand der Komplex auch komplett leer. Leder Kastens bekam den Tipp, sich das Gebäude einmal anzusehen. Er war erstaunt, dass es ihm völlig unbekannt war. „Mir war auch nicht klar, wozu das Gebäude einst diente. Also habe ich vor Ort mal gegoogelt und herausgefunden, dass das ursprünglich eine Brauerei war. In der selben Minute beschloss ich blöderweise, sie wieder auferstehen zu lassen. Ich sage ‚blöderweise‘, weil das unglaublich viel Zeit und Kraft gekostet hat. Ansonsten ist das natürlich ein tolles Projekt, für das es von allen Seiten viel Zuspruch gibt und von dem wir voll und ganz überzeugt sind“, so Kastens. Und weiter: „Was Bier angeht war ich nicht gänzlich unvorbelastet. In dem Haus, wo ich lebe, hat auch der Sänger Klaus Lage eine Wohnung. Und ebenfalls ein ehemaliger Studienkollege von ihm, der in eine Gasthausbrauerei in Soltau involviert ist. Zu Feiern im Haus brachte dieser immer sein Bier mit, das mir sehr gut in Erinnerung geblieben ist und wohl auch mit ein Auslöser für den spontanen Entschluss gewesen ist.“

Ende 2014 wurde mit dem Umbau begonnen. Rund fünf Millionen Euro soll die Sanierung kosten und bis Mai abgeschlossen sein. Die repräsentative Fassade mit dem Eingang zum Restaurant und zum Sudhaus ist bereits fertig, auf der Rückseite zeugen zahlreiche Gerüste und Schuttberge davon, dass noch viel Arbeit zu tun ist, bis alles in neuem Glanz erstrahlt. Es wurde entkernt, Mauern wurden versetzt, Decken eingezogen. Seit Mitte November wird gebraut, offizielle Eröffnung war kurz vor Weihnachten. Betritt man das Gebäude durch den Haupteingang, so befindet sich links das Restaurant, rechts die Brauerei. Geradeaus gelangt man über ein paar Treppen nach oben in den „Biergarten“. Anführungszeichen, weil er sich innen befindet. Große Oberlichter lassen Tageslicht herein, die Wand neben dem Tresen hat zahlreiche Nischen, in denen Hängepflanzen wachsen, die zukünftig die Wand begrünen sollen. Gegenüber wurde eine alte Schiebetür erhalten und in das Ensemble integriert. Überhaupt begegnet einem die Geschichte des Hauses an vielen Stellen. Seien es die alten Kacheln, die an einigen Wänden des Restaurants erhalten blieben, sei es die Vitrine, in der diverse alte Flaschen und andere Relikte von der Vergangenheit der Brauerei erzählen.

Die langen Tische und Bänke des Biergartens sind auffällig. Auf Nachfrage erfahre ich, dass sie aus ehemaligen Gerüstbohlen vom Bau bestehen. Holz mit Geschichte und Charakter. Fast alles, was im Gastro-Bereich an Holz verarbeitet wurde, besteht aus diesem Material. Die Tische im Restaurant, die Hocker im großzügigen Vorraum, die Abstellflächen an den Wänden, selbst die Türen der Toiletten und die Halter für die Speisekarten – die Design-Idee zieht sich wie ein roter Faden durch die Räume. Dass Holz mit Charakter auch seine Tücken hat, merke ich später beim Essen, denn mein Teller wackelt auf der leicht unebenen Fläche. Hinter der Bar ist die Zapfanlage mit 15 Zapfhähnen. Noch sind nicht alle belegt, aber die schiere Anzahl lässt erahnen, welchen Weg man hier gehen, welche Zielgruppe ansprechen will. Mehrere Sorten Camba Bavaria, Maisels Bavaria Ale oder Brewers Tribute Dunkle Vanille sind neben den hauseigenen Sorten an den Hähnen. Über der Zapfanlage befinden sich Tanks, die direkt von den Lagertanks befüllt werden. Auch hier passt die Mischung aus altem und neuem Look wieder. Momentan herrscht Ruhe im Restaurant, denn es macht erst in einer Stunde auf. Dennoch sind ein paar Besucher da: Immer wieder kommen Leute vorbei, um sich umzusehen. „Ich bin gegenüber zur Schule gegangen, als die Brauerei noch in Betrieb war“, sagt ein älterer Herr, der die Fotos von früher betrachtet, die an den Wänden hängen. Abends ist es immer voll, ohne Reservierung geht auch unter der Woche nichts. Es wurde auch genügend berichtet über die Idee, das Gebäude wieder zu einer Brauerei zu machen.

An einem kalten Januar-Tag bin ich mit Kristof Herr verabredet, einem der Braumeister. Gelernt hat er bei Beck’s, dann in Berlin den Meister gemacht. Anschließend hat er ein Jahr bei Brewdog gearbeitet, eine Erfahrung, die ihn sehr geprägt hat. Und jetzt, mit nur 27 Jahren, ist er Teil dieses Projekts. Seine Kollegin, die Braumeisterin Doreen Gaumann, ist erst 24. Sie hatte ebenfalls bei Beck’s gelernt, machte dann ihren Meister bei Doemens und wurde quasi von dort direkt wegengagiert.

Geschäftsführer und Gesellschafter reden den beiden nur wenig rein, so dass sie mehr oder weniger freie Hand haben, was ihre Kreationen angeht. In dem Alter sozusagen eine eigene Brauerei, das klingt nach einem Traumjob. „Ist es auch“, sagt Kristof, „allerdings momentan auch sehr anstrengend und bisweilen chaotisch. Es dauert halt, bis sich alle Abläufe eingespielt haben. Nach der Eröffnung hatten wir einen riesigen Andrang, das kann man sich gar nicht vorstellen.“ Zwei der sechs Biersorten sind derzeit ausverkauft. Nachgebraut werden kann nicht, weil alle Lagertanks voll sind. Auch hier das übliche Problem: Zu wenig Lagervolumen. Platz wäre noch für vier weitere Tanks.

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