Im Sommer 2014 begann die Brauerei „Green Flash“ in San Diego neue Sorten ihres charakteristischen West Coast IPA auf den europäischen Markt zu bringen. Diese sollten in der historischen belgischen Brauerei St. Feuillien gebraut und abgefüllt werden. Unterdessen kündigte „Stone Brewing Co.“ Pläne eines zwei Hektar großen Brauerei- und Restaurantkomplex in Berlin an, mit dem Ziel freche, offensiv bitterer Biere für den Vertrieb in ganz Europa herzustellen.
Es wird also deutlich, das West Coast IPA ist im Mainstream angekommen. Es beglückt den Gaumen nicht nur in den USA, sondern auch in den Hochburgen etablierter Brauereien, welche früher das amerikanische Bier als eine Abscheulichkeit des gesunden Menschenverstandes und des Geschmacks ansahen. Als würden Winzer und Weinkenner über Reben sprechen, können heutzutage IPA-Liebhaber auf der ganzen Welt die Namen der Hopfensorten aufzählen. Dies war allerdings nicht immer so.
Die Geschichte des West Coast IPA
Die Geschichte des IPA im Stil der Westküste – der sich lose durch seine belebende Bitterkeit, seinen intensiven Hopfenaroma und überdurchschnittlichen Alkoholgehalt definiert und ständig weiterentwickelt – spielt eine entscheidende Rolle für das Wachstum von Craftbeer in Amerika und die allmähliche Einbeziehung von immer mehr Geschmacksnuancen. Alles beginnt mit einem blassen Bier und einem amerikanischen Hopfen namens Cascade.
1965 kaufte ein Stanford-Absolvent namens Fritz Maytag in San Francisco die kleine Brauerei „Anchor“. Maytag hatte vor ein helles Bier im englischen Stil mit amerikanischen Hopfen herzustellen und wollte dabei, die fast in Vergessenheit geratene Technik des Trockenhopfens anwenden.
Ein befreundeter Hopfenbauer schlug vor, eine neue aus Oregon stammende Hopfensorte namens Cascade zu verwenden. Der Brauer aus San Francisco befolgte den Rat und befüllte den Sudkessel mit einer gewaltigen Menge Cascade. Dann gab er beim Trockenhopfen eine zusätzliche Portion Hopfen hinzu. Er nannte sein neues Bier „Liberty Ale“, um an den 200. Jahrestag von Paul Reveres ritt zu erinnern.
Außerdem ließ sich Maytag von „Ballantine India Pale Ale“ inspirieren, welches 1878 von der P. Ballantine & Sons Brewing Company gebraut wurde. Ballantine war das einzige amerikanische Vorbild für den Indian Pale Ale Stil, das bis in die letzten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts überlebte. Allerdings verschwand es allmähliche aus den Regalen und Schankanlagen, als die Brauerei in den wirtschaftlichen Untergang geriet. Für Maytag und anderen Brauern an der Westküste bot die Nähe zu den Hopfenbauern die Möglichkeit, den Indian Pale Ale Stil neu zu mischen, indem sie lokal angebaute Hopfen wie Cascade, Centenniel, Columbus und Chinook einsetzten, um ihre Biere mit kräftigen Aromen zu versehen.
Die Weiterentwicklung
Fünf Jahre nach der Markteinführung von Liberty Ale entschied sich der Sierra Nevada Brauer Ken Grossmann, ein helles Bier aus amerikanischem Vollkegel-Hopfen, mit dabei Cascade, herzustellen. Das Ergebnis galt als das hopfigste Bier seiner Zeit. Die Akzeptanz des Hopfens durch die Käufer hatte sich geändert. Nachdem Grossmann und Maytag den Weg geebnet hatten, beschloss eine nordkalifornische Brauerei namens Vinnie Cilurzo, das Hopfenvolumen zu erhöhen. 1994 braute Cilurzo das „Blind Pig Inaugural Ale“. Das war die Geburt des Double IPA und vielleicht noch bedeutender, der Beginn des „bigger is better“ Ethos der amerikanischen Craft-Bierszene. Nach der Gründung der Blind Pig Brewing Company nahm Cilurzo sein IPA-Rezept, verdoppelte den Hopfen und erhöhte den Malzanteil um etwa 30 Prozent.
Während Cilurzo´s Gebräu heutzutage jubelnde Menschenmassen anzieht, waren die Biertrinker in den 90er Jahren wenig begeistert. 1994 gab es für Indian Pale Ales nur einen kleinen Markt, welcher aber ausreichte Cilurzo Biere zu etablieren. Mit der Zeit ließen sich fachkundige Biertrinker immer mehr vom Hopfen überzeugen und die Nachfrage begann stetig zu wachsen.
Im Großraum San Diego fand die steigende Nachfrage bei Handwerksbrauereien wie Stone, Green Flash und Ballast Point große Aufmerksamkeit und so wurde begonnen mit Double- und Tripple-Shopping-IPAs die Möglichkeiten des Bierbrauen zu erweitern. Während viele bemerkenswerte Biere aus dieser Landschaft hervorgingen, hatten nur wenige den Einfluss von Grenn Flashs Vorzeigeprodukt West Coast IPA. Die Brauerei ließ sich den Begriff 2011 als Marke eintragen und brachte ihn mit großen Buchstaben auf ihren Flaschen an. So konnte die Regionalität des Bier Stils erhalten und effektiv für die Biertrinker im ganzen Land und darüber hinaus sofort erkennbar gemacht werden.
Das West Coast IPA geht um die Welt
Durch die Boomphase der Hopfenbiere ist die ausgesprochen amerikanische Schroffheit des West Coast IPA fast zum Synonym für die Craft-Brew-Bewegung geworden. Obwohl Puristen in England, Belgien und Deutschland sich zunächst dem schlichten amerikanischen Bier Stil entzogen haben, macht er nun endlich globale Fortschritte. Pubs in London servieren Stone IPA und britische New-School-Brauereien eifern dem hopfen lastigen Charakter des West Coast IPA nach.
Heute ist die vorherrschende Leidenschaft unter den Bierliebhabern der sogenannte „Session“ IPA. Dieser ist in Alkoholgehalt als auch Bitterkeit abgeschwächt, um eine weniger grenzwertige Erfahrung zu machen, als beispielsweise beim Genuss eines Green Flash Gaumenzerstörers. Die Biere des IPA an der Westküste haben die Geschmacksnerven geweckt und die Tore zu einer schönen neuen Welt des Bierbrauen geöffnet.